
Aufstieg einer Allzweckwaffe
Im Mittelalter waren die Kräfte ungleich verteilt. Hier der gepanzerte Ritter, dort der einfache Bauer. Doch mit der Erfindung der Halbarte veränderten sich die Verhältnisse...
«Habebant quoque Switenses in manibus quedam instrumenta occisionis gesa, in vulgari illo appellata helnbartam, valde terribilia, quibus adversarios firmissime armatos quasi cum novacula diviserunt et in frusta conciderunt.»
Die Schwyzer hatten in den Händen auch gewisse Tötungsinstrumente, Gesen (gesa = Stangenwaffe mit breitem Eisen), in selbiger Volkssprache «Helnbartam» genannt, äusserst furchtbare, mit denen sie noch so stark gerüstete Gegner wie mit einem Rasiermesser zerteilten und in Stücke schnitten.
In der Folge soll ein Versuch unternommen werden, die «Erfolgsgeschichte» der Halbarte nachzuzeichnen und zu erklären, wie diese in die Hände der Eidgenossen kam.
Beschaffenheit und Einsatz einer Halbarte
Die möglichen Ursprünge der Halbarte
Die bisher älteste schriftliche Erwähnung der Halbarte lassen sich in Stellen des Trojanischen Krieges des «Meisters» Konrad von Würzburg (um 1220 – 1287) finden, einem der «Zwölf alten Meistern» des hochmittelalterlichen Minnegesangs. Konrad brachte diesen Versroman um 1281-1287 in der Stadt Basel zu Papier. Darin beschreibt er, ähnlich wie es später der eingangs erwähnte Johannes von Winterthur tat, wie die Krieger mit «hallenbarten» auf einander losschlugen und «[…] ze stûken si dâ spaltent Ros unde man diu beide» (in Stücke spalteten sie da beides, Pferd und Mann).
Wie hat man sich aber diese Vorläufer der in der Eidgenossenschaft bekannten Halbarte vorzustellen? Hier kommt uns die Archäologie zu Hilfe. Boden- und Gewässerfunde, mehrheitlich im Rhein bei Basel und im Elsass entdeckt, welche heute in Schweizer Museen aufbewahrt werden. Es handelt sich um leichte, haumesserartige Eisen, mit leicht konvexen Klingen und mit sich nach oben hin zuspitzenden Enden. Zur Fixierung am Schaft wurden zwei runde Ösen übereinander am Klingenrücken angeschmiedet.
Es gilt hier festzuhalten, dass sich in Basel und dessen Umgebung zur Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts ein Zentrum der Messerklingenherstellung befand. Ein Erzeugnis dieses Zentrums war eine in ganz Europa verbreitetes und beliebtes Kampfmesser, welches aufgrund seiner Herkunft als «Baselard» bezeichnet wurde. Es ist daher vorstellbar, dass die Hersteller von Messern (Berufsbezeichnung wäre «Messerer») auch haumesserartige Klingen für Stangenwaffen herstellen konnten.
Diese Entwicklung lässt sich an Halbarten-Eisen verfolgen, welche im Vierwaldstättersee bei Stansstad NW und im zürcherischen Rorbas (1. oder 2. Viertel 14. Jh.), auf der Burgruine Hünenberg ZG (Ende 14. Jh.) oder beim Greifensee ZH (1. Drittel 15. Jh.) gefunden wurden. Dabei ist auffallend, dass die Stossklinge, wie auch die Montageösen verstärkt ausgearbeitet wurden. Die Stossklinge erfährt neben der Verstärkung auch eine Verlängerung.
Die Weiterentwicklung
Eine Renaissance der Halbarte
Im Zuge des konfessionellen Konflikts zwischen den reformierten und katholischen Orten der Eidgenossenschaft im Ersten Villmergerkrieg von 1656 wurden die verhältnismässig modern ausgerüstete Streitmacht Berns durch die Truppen der katholischen Innerschweizer Orte vernichtend geschlagen, indem diese, mehrheitlich mit Stangenwaffen ausgerüstet, ungestüme Sturmangriffe in Heerhaufen wie zur Zeit des 16. Jahrhunderts durchführten. Der Einsatz von Feuerwaffen wie Luntenschlossmusketen musste koordiniert und in vielen Einzelschritten erlernt und durchgeführt werden. Der Ladevorgang war ebenfalls langwierig, so dass mit einem Sturmangriff das Feuer unterlaufen und der derart ausgerüstete Gegner in den Nahkampf verwickelt werden konnte. Hier war die Stangenwaffe, somit auch die Halbarte, der Flinte überlegen, denn komplizierte Abläufe im Gebrauch mussten nicht einstudiert werden: Stechen, Hauen, Reissen war da die Devise!


